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Orest. Iphigenie. Pylades.

Orest.
Seid ihr auch schon herabgekommen?
Wohl Schwester dir! Noch fehlt Elektra:
Ein guet'ger Gott send' uns die Eine
Mit sanften Pfeilen auch schnell herab.
Dich, armer Freund, muss ich bedauern!
Komm mit! komm mit! zu Pluto's Thron,
Als neue Gaeste den Wirth zu gruessen.

Iphigenie.
Geschwister, die ihr an dem weiten Himmel
Das schoene Licht bei Tag und Nacht herauf
Den Menschen bringet, und den Abgeschiednen
Nicht leuchten duerfet, rettet uns Geschwister!
Du liebst, Diane, deinen holden Bruder
Vor allem, was dir Erd' und Himmel bietet,
Und wendest dein jungfraeulich Angesicht
Nach seinem ew'gen Lichte sehnend still.
O lass den einz'gen Spaetgefundnen mir
Nicht in der Finsterniss des Wahnsinns rasen!
Und ist dein Wille, da du hier mich bargst,
Nunmehr vollendet, willst du mir durch ihn
Und ihm durch mich die sel'ge Huelfe geben;
So loes' ihn von den Banden jenes Fluchs,
Dass nicht die theure Zeit der Rettung schwinde.

Pylades.
Erkennst du uns und diesen heil'gen Hain
Und dieses Licht, das nicht den Todten leuchtet?
Fuehlst du den Arm des Freundes und der Schwester,
Die dich noch fest, noch lebend halten? Fass
Uns kraeftig an; wir sind nicht leere Schatten.
Merk' auf mein Wort! Vernimm es! Raffe dich
Zusammen! Jeder Augenblick ist theuer,
Und unsre Rueckkehr haengt an zarten Faeden,
Die, scheint es, eine guenst'ge Parze spinnt.

Orest (zu Iphigenien).
Lass mich zum Erstenmal mit freiem Herzen
In deinen Armen reine Freude haben!
Ihr Goetter, die mit flammender Gewalt
Ihr schwere Wolken aufzuzehren wandelt,
Und gnaedig-ernst den lang erflehten Regen
Mit Donnerstimmen und mit Windesbrausen
In wilden Stroemen auf die Erde schuettet,
Doch bald der Menschen grausendes Erwarten
In Segen aufloes't und das bange Staunen
In Freudeblick und lauten Dank verwandelt,
Wenn in den Tropfen frischerquickter Blaetter
Die neue Sonne tausendfach sich spiegelt,
Und Iris freundlich bunt mit leichter Hand
Den grauen Flor der letzten Wolken trennt;
O lasst mich auch in meiner Schwester Armen,
An meines Freundes Brust, was ihr mir goennt
Mit vollem Dank geniessen und behalten.
Es loeset sich der Fluch, mir sagt's das Herz.
Die Eumeniden ziehn, ich hoere sie,
Zum Tartarus und schlagen hinter sich
Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu.
Die Erde dampft erquickenden Geruch
Und ladet mich auf ihren Flaechen ein,
Nach Lebensfreud' und grosser That zu jagen.

Pylades.
Versaeumt die Zeit nicht, die gemessen ist!
Der Wind der unsre Segel schwellt, er bringe
Erst unsre volle Freude zum Olymp.
Kommt! Es bedarf hier schnellen Rath und Schluss.