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Iphigenie. Thoas. Orest.

Iphigenie.
Befreit von Sorge mich, eh' ihr zu sprechen
Beginnet. Ich befuerchte boesen Zwist,
Wenn du, o Koenig, nicht der Billigkeit
Gelinde Stimme hoerest; du, mein Bruder,
Der raschen Jugend nicht gebieten willst.

Thoas.
Ich halte meinen Zorn, wie es dem aeltern
Geziemt, zurueck. Antworte mir! Womit
Bezeugst du, dass du Agamemnons Sohn
Und Dieser Bruder bist?

Orest.
Hier ist das Schwert,
Mit dem er Troja's tapfre Maenner schlug.
Dies nahm ich seinem Moerder ab und bat
Die Himmlischen, den Mut und Arm, das Glueck
Des grossen Koeniges mir zu verleihn,
Und einen schoenern Tod mir zu gewaehren.
Waehl' einen aus den Edeln deines Heers
Und stelle mir den Besten gegenueber.
So weit die Erde Heldensoehne naehrt,
Ist keinem Fremdling dies Gesuch verweigert.

Thoas.
Dies Vorrecht hat die alte Sitte nie
Dem Fremden hier gestattet.

Orest.
So beginne
Die neue Sitte denn von dir und mir!
Nachahmend heiliget ein ganzes Volk
Die edle That der Herrscher zum Gesetz.
Und lass mich nicht allein fuer unsre Freiheit,
Lass mich, den Fremden, fuer die Fremden kaempfen.
Fall ich, so ist ihr Urtheil mit dem meinen
Gesprochen; aber goennet mir das Glueck,
Zu ueberwinden, so betrete nie
Ein Mann dies Ufer, dem der schnelle Blick
Huelfreicher Liebe nicht begegnet, und
Getroestet scheide jeglicher hinweg!

Thoas.
Nicht unwerth scheinest du, o Juengling, mir
Der Ahnherrn, deren du dich ruehmst, zu sein.
Gross ist die Zahl der edeln, tapfern Maenner,
Die mich begleiten; doch ich stehe selbst
In meinen Jahren noch dem Feinde, bin
Bereit, mit dir der Waffen Loos zu wagen.

Iphigenie.
Mit nichten! Dieses blutigen Beweises
Bedarf es nicht, o Koenig! Lasst die Hand
Vom Schwerte! Denkt an mich und mein Geschick.
Der rasche Kampf verewigt einen Mann:
Er falle gleich, so preiset ihn das Lied.
Allein die Thraenen, die unendlichen
Der ueberbliebnen, der verlass'nen Frau
Zaehlt keine Nachwelt, und der Dichter schweigt
Von tausend durchgeweinten Tag- und Naechten,
Wo eine stille Seele den verlornen,
Rasch abgeschiednen Freund vergebens sich
Zurueckzurufen bangt und sich verzehrt.
Mich selbst hat eine Sorge gleich gewarnt,
Dass der Betrug nicht eines Raeubers mich
Vom sichern Schutzort reisse, mich der Knechtschaft
Verrathe. Fleissig hab ich sie befragt,
Nach jedem Umstand mich erkundigt, Zeichen
Gefordert, und gewiss ist nun mein Herz.
Sieh hier an seiner rechten Hand das Mahl
Wie von drei Sternen, das am Tage schon,
Da er geboren ward, sich zeigte, das
Auf schwere That, mit dieser Faust zu ueben,
Der Priester deutete. Dann ueberzeugt
Mich doppelt diese Schramme, die ihm hier
Die Augenbraune spaltet. Als ein Kind
Liess ihn Elektra, rasch und unvorsichtig
Nach ihrer Art, aus ihren Armen stuerzen.
Er schlug auf einen Dreifuss auf--Er ist's--
Soll ich dir noch die aehnlichkeit des Vaters,
Soll ich das innre Jauchzen meines Herzens
Dir auch als Zeugen der Versichrung nennen?

Thoas.
Und huebe deine Rede jeden Zweifel
Und baendigt' ich den Zorn in meiner Brust:
So wuerden doch die Waffen zwischen uns
Entscheiden muessen; Frieden seh' ich nicht.
Sie sind gekommen, du bekennest selbst,
Das heil'ge Bild der Goettin mir zu rauben.
Glaubt ihr, ich sehe dies gelassen an?
Der Grieche wendet oft sein luestern Auge
Den fernen Schaetzen der Barbaren zu,
Dem goldnen Felle, Pferden, schoenen Toechtern;
Doch fuehrte sie Gewalt und List nicht immer
Mit den erlangten Guetern gluecklich heim.

Orest.
Das Bild, o Koenig, soll uns nicht entzweien!
Jetzt kennen wir den Irrthum, den ein Gott
Wie einen Schleier um das Haupt uns legte,
Da er den Weg hierher uns wandern hiess.
Um Rath und um Befreiung bat ich ihn
Von dem Geleit der Furien; er sprach:
"Bringst du die Schwester, die an Tauris Ufer
Im Heiligthume wider Willen bleibt,
Nach Griechenland, so loeset sich der Fluch."
Wir legten's von Apollens Schwester aus,
Und er gedachte dich! Die strengen Bande
Sind nun geloes't; du bist den Deinen wieder,
Du Heilige, geschenkt. Von dir beruehrt,
War ich geheilt; in deinen Armen fasste
Das uebel mich mit allen seinen Klauen
Zum letztenmal und schuettelte das Mark
Entsetzlich mir zusammen; dann entfloh's
Wie eine Schlange zu der Hoehle. Neu
Geniess ich nun durch dich das weite Licht
Des Tages. Schoen und herrlich zeigt sich mir
Der Goettin Rath. Gleich einem heil'gen Bilde,
Daran der Stadt unwandelbar Geschick
Durch ein geheimes Goetterwort gebannt ist,
Nahm sie dich weg, dich Schuetzerin des Hauses;
Bewahrte dich in einer heil'gen Stille
Zum Segen deines Bruders und der Deinen.
Da alle Rettung auf der weiten Erde
Verloren schien, gibst du uns alles wieder.
Lass deine Seele sich zum Frieden wenden,
O Koenig! Hindre nicht, dass sie die Weihe
Des vaeterlichen Hauses nun vollbringe,
Mich der entsuehnten Halle wiedergebe,
Mir auf das Haupt die alte Krone druecke!
Vergilt den Segen, den sie dir gebracht,
Und lass des naehern Rechtes mich geniessen!
Gewalt und List, der Maenner hoechster Ruhm,
Wird durch die Wahrheit dieser hohen Seele
Beschaemt, und reines kindliches Vertrauen
Zu einem edeln Manne wird belohnt.

Iphigenie.
Denk' an dein Wort, und lass durch diese Rede
Aus einem g'raden, treuen Munde dich
Bewegen! Sieh uns an! Du hast nicht oft
Zu solcher edeln That Gelegenheit.
Versagen kannst du's nicht; gewaehr' es bald!

Thoas.
So geht!

Iphigenie.
Nicht so, mein Koenig! Ohne Segen,
In Widerwillen scheid' ich nicht von dir.
Verbann' uns nicht! Ein freundlich Gastrecht walte
Von dir zu uns: so sind wir nicht auf ewig
Getrennt und abgeschieden. Werth und theuer,
Wie mir mein Vater war, so bist du's mir,
Und dieser Eindruck bleibt in meiner Seele.
Bringt der Geringste deines Volkes je
Den Ton der Stimme mir in's Ohr zurueck,
Den ich an euch gewohnt zu hoeren bin,
Und seh' ich an dem aermsten eure Tracht:
Empfangen will ich ihn wie einen Gott,
Ich will ihm selbst ein Lager zubereiten,
Auf einen Stuhl ihn an das Feuer laden,
Und nur nach dir und deinem Schicksal fragen.
O geben dir die Goetter deiner Thaten
Und deiner Milde wohlverdienten Lohn!
Leb' wohl! O wende dich zu uns und gib
Ein holdes Wort des Abschieds mir zurueck!
Dann schwellt der Wind die Segel sanfter an,
Und Thraenen fliessen lindernder vom Auge
Des Scheidenden. Leb' wohl! und reiche mir
Zum Pfand der alten Freundschaft deine Rechte.

Thoas.
Lebt wohl!

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