Read synchronized with  English 
< Prev. Chapter  |  Next Chapter >
Font: 

Iphigenie.
Denken die Himmlischen
Einem der Erdgebornen
Viele Verwirrungen zu,
Und bereiten sie ihm
Von der Freude zu Schmerzen
Und von Schmerzen zur Freude
Tief-erschuetternden uebergang;
Dann erziehen sie ihm
In der Naehe der Stadt,
Oder am fernen Gestade,
Dass in Stunden der Noth
Auch die Huelfe bereit sei,
Einen ruhigen Freund.
O segnet, Goetter, unsern Pylades
Und was er immer unternehmen mag!
Er ist der Arm des Juenglings in der Schlacht,
Des Greises leuchtend Aug' in der Versammlung:
Denn seine Seel' ist stille; sie bewahrt
Der Ruhe heil'ges unerschoepftes Gut,
Und den Umhergetriebnen reichet er
Aus ihren Tiefen Rath und Huelfe. Mich
Riss er vom Bruder los; den staunt' ich an
Und immer wieder an, und konnte mir
Das Glueck nicht eigen machen, liess ihn nicht
Aus meinen Armen los, und fuehlte nicht
Die Naehe der Gefahr die uns umgibt.
Jetzt gehn sie ihren Anschlag auszufuehren
Der See zu, wo das Schiff mit den Gefaehrten
In einer Bucht versteckt auf's Zeichen lauert,
Und haben kluges Wort mir in den Mund
Gegeben, mich gelehrt was ich dem Koenig
Antworte, wenn er sendet und das Opfer
Mir dringender gebietet. Ach! ich sehe wohl,
Ich muss mich leiten lassen wie ein Kind.
Ich habe nicht gelernt zu hinterhalten
Noch jemand etwas abzulisten. Weh!
O weh der Luege! Sie befreiet nicht,
Wie jedes andre wahrgesprochne Wort,
Die Brust; sie macht uns nicht getrost, sie aengstet
Den, der sie heimlich schmiedet, und sie kehrt,
Ein losgedruckter Pfeil, von einem Gotte
Gewendet und versagend, sich zurueck
Und trifft den Schuetzen. Sorg' auf Sorge schwankt
Mir durch die Brust. Es greift die Furie
Vielleicht den Bruder auf dem Boden wieder
Des ungeweihten Ufers grimmig an.
Entdeckt man sie vielleicht? Mich duenkt, ich hoere
Gewaffnete sich nahen!--Hier!--Der Bote
Kommt von dem Koenige mit schnellem Schritt,
Es schlaegt mein Herz, es truebt sich meine Seele,
Da ich des Mannes Angesicht erblicke,
Dem ich mit falschem Wort begegnen soll.